Holocaust-Überlebender kommt für Auschwitz-Prozess zurück nach Deutschland | Die lange Reise des Joshua Kaufman
Foto: Daniel Biskup
Holocaust-Überlebender kommt für Auschwitz-Prozess zurück nach Deutschland | Die lange Reise des Joshua Kaufman
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Tochter Rachel (38) begleitet ihren Vater nach Deutschland. Joshua Kaufman hat neben Rachel drei weitere Töchter. Seine Ehefrau leidet an Parkinson
Foto: Nancy Pastor/Polaris Images
Von MICHAEL MANSKE
Los Angeles/Detmold – Es ist eine lange Reise. Eine lange, fast unendliche Reise in die Vergangenheit. Im Alter von 88 Jahren reist Joshua Kaufman 9160 Kilometer von Los Angeles (USA) nach Detmold (Westfalen).
Holocaust survivor Joshua Kaufman (88) returns to Germany for Auschwitz trial. BILD has visited Kaufman in Los Angeles.
Auf Antrag der Nebenklage will der Holocaust-Überlebende am Freitag als Zeuge im Prozess gegen den ehemaligen Auschwitz-Wachmann Reinhold Hanning (94) aussagen.
Vergrößern Das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau
5. Tag im Prozess gegen Reinhold Hanning (94) vorm Landgericht Detmold. Diesmal sagten zwei Überlebende der „Hölle von Auschwitz“ aus.
BILD besuchte Kaufman in Los Angeles. Dort lebt er mit Tochter Judy (40) und Enkel Ethan (2) in einem Haus in Hollywood. Er arbeitet sogar noch – als Klempner: „Ausruhen kann ich mich, wenn ich tot bin. Ich werde immer arbeiten. Ich bin nie müde und habe keinen Hunger. Ich werde oft gefragt, wie ich alles überlebt habe. Ich sage dann, dass ich vielleicht nicht normal bin. Ich wollte einfach nicht sterben und will es auch heute nicht.“
Vergrößern Sein Lieblingsplatz: Im Wohnzimmer hängen Urkunden, Bilder und Artikel mit Holocaust-Erinnerungen
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Kaufman überstand das Ghetto von Debrecen (Ungarn). Und er überlebte die Konzentrationslager in Auschwitz und Dachau. In Dachau wurde er am 30. April 1945 befreit, lebte danach 25 Jahre in Israel. Kaufman: „Im KZ war ich kein Mensch mehr, sondern ein Tier. 50-Kilo-Zementsäcke musste ich über 12 Stunden schleppen mit 15 Jahren. Wer das nicht geschafft hat, der wurde selbst in den Zementmischer geworfen.
Vergrößern Joshua Kaufman auf einem Foto nach Kriegsende: „Es ist das älteste Bild, das ich von mir besitze“
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Vergrößern Kaufmans Haus in Los Angeles: Mit seinem Truck (links) fährt er als Klempner zu seinen Kunden
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Gott? Ich glaube nicht mehr, dass er existiert. Für mich sind die US-Soldaten, die mich befreit haben, meine Götter.“
VergrößernVergrößernReinhold Hanning (94) als SS-Soldat und heute vor Gericht. Der frühere KZ-Aufseher ist angeklagt wegen Beihilfe zum Mord an 170 000 Menschen
Fotos: AFP
In Auschwitz war auch KZ-Aufseher Hanning. Dort musste Kaufman mit der Schubkarre die Leichen aus der Gaskammer transportieren, wird darüber im Prozess berichten: „Ich werde ihn nicht als Kriminellen sehen. Ich würde gerne Antworten von ihm haben. Wie kann man sich so unmenschlich verhalten? Wie kann man damit leben? Wie konnte er abends glücklich zu seiner Familie gehen? Ich will, dass er um Vergebung bittet.“
BILD stellt 100 Täter unter dem Hakenkreuz vor, zeigt ihre Rolle auf, die sie im Dritten Reich spielten. Und schildert, wie sie endeten.
„Sie sollen aber wissen, was uns widerfahren ist. In zehn Jahren gibt es wohl niemanden mehr, der das überlebt hat. Deshalb rede ich nun darüber. Das habe ich lange nicht getan, weil ich mich nicht als Held gefühlt habe, sondern schuldig. Schließlich musste auch ich Menschen in den Zementmischer werfen. Es vergeht nicht eine Minute, in der ich nicht an Auschwitz denken muss. Ich werde für alle sprechen, die nicht überlebt haben.“
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